„Jetzt glaubt aber keiner von euch, dass da in einem drinnen kleine Wesen leben, reden und irgendwelche Sachen machen – Innere Teile sind eine Metapher!“ – so habe ich den halb lachenden, halb mahnenden Satz aus meiner NLP-Master-Ausbildung noch gut im Ohr. Und noch deutlicher erinnere ich mich an mein ehrliches Erschrecken: „Wie? Echt nicht?“. Natürlich nahm ich nicht wirklich an, in mir würden kleine Männchen agieren, die man etwa auf einem Röntgenbild sehen könnte. Wirklich nicht – aber die Arbeit mit Inneren Teilen entwickelte bei mir schon immer ein äußerst lebendiges Eigenleben: Da bekommen Seiten meiner Persönlichkeit ein Gesicht und prägen sehr eigenwillige Kommunikationsweisen aus, besetzen profilierte Rollen und kommen untereinander gut ins Gespräch – und für mich ist es meist erhellend (und manchmal durchaus unterhaltsam) ihnen zuzuhören. Ja: Ich bin viele – und ich bin gerne die Chefin meines Inneren Teams.
Das ist eine Vorstellung, mit der ich lustvoll arbeiten kann. Sie kleidet mein Erleben in Bilder und macht es mir kommunizierbar und lebendig. So lebendig, dass ich mich immer wieder selbst daran erinnern muss, dass sie eine Metapher für die lebensgeschichtlich geprägten Seiten meiner Persönlichkeit sind, die je nach Situation ganz unterschiedlich präsent sind und jeweils ganz eigene Vorstellungen und Ziele vertreten. Sie kommen oft mit sehr typischen Emotionen und Glaubenssätzen daher und geben mir recht deutliche Handlungsimpulse. Nicht immer logisch nachvollziehbar und oft der linearen Sprache entzogen wollen sie etwas Gutes für mich.
In der Arbeit mit Inneren Teilen mache ich mir wenig Gedanken über die neurologische Entsprechung dieser Vorstellung, sie sind für mich in Supervision und Coaching die sinnlich wahrnehmbare Verkörperung von Erfahrungen, Bedürfnissen und Zielen. Sie zeigen sich zum einen als kreative Individualisten, die ein Mensch auf seine ganz eigene Weise unter seinen ganz speziellen Bedingungen entwickelt hat. Als solche spielen sie in verschiedenen NLP-Formaten eine wichtige Rolle. Zum anderen kommen sie als vorgeprägte Typen, etwa als die zeit- und kulturabhängige „Funktionsträger“ diverser Coachingmodelle, zu Wort. Und schließlich verkörpern sie als archetypische Metaphern transpersonale Erfahrungen, die über die persönliche Erfahrung hinaus weisen. Ihre Narrationen und Bilder sind mehr als individuelle Konstruktionen zur Deutung des Erlebens, sie haben vielmehr Anteil an einem kollektiven – unbewussten – Wissen und nähren sich aus dem, was Menschen kultur- und zeitunabhängig gemeinsam haben. In der Auseinandersetzung mit diesen Oberflächenstrukturen archetypischer Erfahrung können Menschen in Kontakt kommen mit ihrem Ur-Eigenen. Die Idee von diesen Archetypen, mit denen gleichsam jeder Mensch geboren wird, ist alt – und für die systemische Arbeit immer wieder wichtig: „Wir sind eins.“
Ein solches archetypisches Mitglied meines Inneren Teams ist die Kriegerin. Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch einen solchen Anteil in sich hat, in welche sprachliche Metapher er die dahinter stehende ur-menschliche Erfahrung auch immer kleidet. Ich verstehe die Innere Kriegerin als die kluge und mutige, entschiedene und entschlossene Grenzgängerin, die weiß, in wessen Auftrag sie dient und was sie schützt. Sie übt immer wieder ihre Waffen dafür einzusetzen: Um den Frieden im Innen und im Außen zu wahren und damit Kontakt zur Umwelt möglich zu machen führt sie das Schwert, das Insignium ihrer Macht und ihres Auftrags. Sie stellt sich den Herausforderungen des Lebens und ist bereit ihre Umwelt so zu gestalten, wie es (zu) ihr passt. Ihr geht es nicht um das Kämpfen um des Kampfes Willen, sondern um das Gestalten von Möglichkeiten. In diesem Sinn ist sie aggressiv. Und sie ist stolz und achtsam, friedfähig und aufrichtig. Und oft scheint es mir, dass sie eine schweigsame Frau ist, die zentriert auf der Grenze balanciert und zugleich dynamisch ausgerichtet ist auf das Ziel. Darin liegt ihre Kraft, das sind ihre „Waffen“: Die kreative Weltzugewandtheit und das konzentrierte Agieren sind die wesentlichen Kriegerinnenressourcen, ur-menschliche Fähigkeiten, die in jedem Menschen verkörpert sind – und die herausgelockt werden können.
Das ‚Coaching für die Innere Kriegerin‘ öffnet einen Beziehungsraum, in dem eine solche Pro-Vokation möglich ist und den Menschen dabei unterstützt Ziele klären und Handlungsstrategien zu ihrer Verwirklichung zu entwickeln. Hier werden ur-menschliche und ur-eigene Fragen laut: Wofür stehe ich (ein)? Was ist mir wichtig und wertvoll? Wofür gehe ich bis an die Grenze – und lerne eben diese Grenze zu wahren und sie nur achtsam und in freundschaftlicher Absicht zu erweitern – im Innen wie im Außen? Was will ich denn eigentlich wirklich? Was ist mein Auftrag, den ich annehme und den ich verwirklichen will? Wie kann es gehen, meine Ressourcen einzusetzen um meine Ziele zu verfolgen und dennoch – oder gerade deshalb? – mit anderen Menschen in Kontakt zu sein, Konflikte zu leben und Lösungen kooperativ und zum Wohl des Ganzen zu schaffen? Es geht um Empowerment in einem nonverbalen Erkunden und Entdecken – um das Stärken eines Persönlichkeitsanteils auf einem hoch metaphorischen Level.
„Coaching für die Innere Kriegerin“ verzichtet bewusst auf Pragmatismus und arbeitet erlebnisaktivierend, experimentell und mit einem an sich selbst archetypischen Medium: dem (Holz-)Schwert. Damit kommt es Themen entgegen, die sich selbst auch sprachlicher Eloquenz entziehen, die unfassbar und flüchtig sind, wie ein Schmetterling, der sich auf meiner Schulter niederlässt und sich nur in meinem Augenwinkel anschauen lässt: Sobald ich den Kopf bewege, um ihn genauer zu sehen, ist er weg. Die Metapher von der Inneren Kriegerin – und mehr noch vom Inneren Krieger – aktiviert als archetypisches Bild das Feld ur-menschlicher und ur-eigener Erfahrungen von Macht und Ohnmacht, von mutiger Selbstbestimmung und missbrauchender Gewalt, von Stolz und Stärke, von Scham und Mutlosigkeit. Erfahrungen, die sich oft der Sprache entziehen – sprachlos machen. Nun mag es eine hohe Kunst sein, Sprachlosigkeit auszuhalten und der Versuchung zu widerstehen, den Kopf dem Schmetterling zuzuwenden und staunend und schweigend vor dem Wunder zu stehen – und dennoch: Coaching kann genau da vor dem Verstummen bewahren und alternative Ausdrucksformen anbieten.