Welchen Nutzen hat Supervision für ehrenamtliche Mitarbeiter/innen?
Der Bezugspunkt von Supervision ist „das berufliche Feld“ (das ist der Unterscheidungspunkt zu anderen Beratungsformaten) – für Ehrenamtliche also die Situationen, in der sie, im besten Fall auf der Basis einer klaren Aufgabenbeschreibung, ihre persönlichen, beruflichen und fachlichen Kompetenzen einbringen.
Die Organisation, die in Supervision immer eine wichtige Rolle im „Dreieck“ inne hat, ist zum einen der Verein, der Verband, in dem das ehrenamtliche Engagement seinen Rahmen hat – und darin natürlich immer die jeweiligen Menschen, die Vorstände, Hauptberuflichen und die anderen Ehrenamtlichen.
Schlau ist es für eine sich als Lernende Organisation verstehende Einrichtung, das kritische Potential der Ehrenamtlichen (Stichwort: EigenArt und Freiheit) zu nutzen
Der hohe ethische Anspruch und die hohe Selbsterwartung bei Ehrenamtlichen kann zu Überlastung und Selbstüberforderung führen, in deren Folge „die große Idee“ verloren gehen kann. Auf diese „Vision“ und die aus ihr resultierenden Werte rekrutiert Supervision. Die Diskrepanz zwischen den eigenen Idealen und der oft ganz anderen Realität markiert einen der Spannungsbögen von ehrenamtlichen Engagement, das Supervision rahmt und orientiert.
Was kann Supervision für Ehrenamtliche (und die Organisation, in der die Ehrenamtlichen arbeiten) leisten?
- ein Fremder kommt dazu und kann Wertschätzung ausdrücken – das ist ein Bestandteil des systemischen Ausgleichs von Geben und Nehmen. Und dieser Fremde kann immer wieder fragen und fragen und fragen, damit Selbst-Verständlichkeiten aufbrechen und verkörpert damit ein „Und: Könnte es eigentlich auch noch ganz anders sein?“
- die alltägliche ehrenamtliche Arbeit kann reflektiert werden: Was war? Wie soll es sein? Was an dem was war/ist, ist gut – wie kann es noch besser werden? Dabei geht es auch um das Erweitern und die Ausdifferenzierung des praktischen Handlungsrepertoires durch das Erfassen von Zusammenhängen zwischen Handlungsabsicht, Handlung und Handlungswirkung: Wer verstanden hat, was er tut und wie das wirkt, was er da tut, kann authentischer, selbstbewusster und zugewandter mit Menschen arbeiten.
- Klärung des Aufträge, die ehrenamtliche Mitarbeiter von der Organisation und von den Menschen, mit denen sie ehrenamtlich arbeiten, oft auch unbewusst annehmen
- Vorbereitung von Entscheidungssituationen und von besonderen Herausforderungen im ehrenamtlichen Engagement
- Begleitung des Transfers der Ausbildungs- und Fortbildungsinhalte in die Praxis des ehrenamtlichen Handelns
- das Erzählen in einer heterogenen Gruppe (TN mit unterschiedlichen Einsatzgebieten innerhalb der Organisation) sorgt für Klarheit (manches, was selbstverständlich erscheint, muss erklärt werden) und für (inneren) Abstand (manches, was sooo wichtig erscheint, relativiert sich)
- durch das „sich kennen“ von Freiwilligen aus verschiedenen Einsatzgebieten/Tätigkeitsbereichen, im „voneinander hören“ wird gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung – und damit gegenseitiges Verstehen – wahrscheinlicher. Das wiederum entschärft Konfliktpotentiale im Vorfeld und macht Konflikte bearbeitbar
- belastende Erfahrungen, erschütternde Erlebnisse können thematisiert und „ins Wort“ gebracht werden. Das erleichtert es, sie in das Leben zu integrieren („Psychohygiene“)
- Tabuthemen, wie eigene (hinderliche) Verhaltensmuster, Überengagement, Überforderung, Konflikte, können entdeckt werden und sich durch die Anerkennung dessen was ist u.U. verändern
- neue Tätigkeitsbereiche und Rollen können in Ruhe und Gelassenheit mit Leben gefüllt werden, die „große Idee“ kann sich hier konkret durchbuchstabieren: Wie will ich das, was ich da tun soll, genau tun, was sind meine „geht gar nicht“-Markierungen und was stärkt meine Souveränität
- die Spannung zwischen Ideal („die große Idee“) und Realität kann produktiv gehalten werden: Die ethischen Orientierungen, die Werte und Visionen werden immer und immer wieder absichtsvoll auf die Bühne gelockt
- die unentgeltliche Teilnahme an Supervision ist ein Teil des Ausgleichs von Geben und Nehmen zwischen Freiwilligen und Organisation.
Anforderungen an den Supervisor und die Arbeit in der Supervisionsgruppe Ehrenamtlicher
- die Arbeit in der Supervisionsgruppe muss als wertschätzend, die Atmosphäre als offen und damit als wohltuend gestaltet werden. Feedback wird so zum Motivator und muss nicht angstvoll vermieden werden. Supervision bietet so einen sicheren, verlässlichen Rahmen, in der Menschen „ungeschützt“ reden können, weil sie ja durch diese Rahmenbedingungen geschützt sind
- Supervision ist ein fehlerfreundlicher und restriktionsfreier Raum: Das was ist, darf sein
- der Wert und die EigenArt ehrenamtlichen Engagements muss gesehen, gewollt, unterstützt und gewürdigt werden; Supervision verwehrt sich deshalb der Logik einer „Hauptberuflichen-Professionalisierung“ (Stichwort: „Ich muss mich abgrenzen“). Wer Teil einer Supervisionsgruppe ist, darf das als der und die sein, die er und sie eben ist: unverstellt, unperfekt und unglaublich wichtig
- die Dynamik zwischen Hauptberuflichen, Ehrenamtlichen und Organisation ist im Blick
- Supervision ist keine Kontrolle ehrenamtlichen Engagements (i.S. eines „das machst Du gut, das machst Du schlecht“)
- Supervision ist keine (Ersatz-)Therapie: Die Tiefung von Selbsterfahrung und Selbstexploration muss verantwortlich gesteuert werden: Die ehrenamtlichen Teilnehmer einer Gruppensupervision arbeiten auch in anderen Kontexten miteinander und begegnen sich in ihren Lebens- und Sozialräumen! In diesem Sinn ist Supervision begrenzt und beschränkt sich selbst.
- Freiwillige bringen „ihr ganzes Leben“ in die ehrenamtliche Tätigkeit ein: Biographische und aktuelle (familiäre und persönliche) Herausforderungen, berufliche Belastungen und individuelle Sinn- und Lebensfragen schwingen in der ehrenamtlichen Tätigkeit immer mit und sich so auch in Supervision „mit dabei“. Auch wenn der Fokus die ehrenamtliche Tätigkeit an sich ist, die Situation des „Ganzen Menschen“ spielt immer eine Rolle – manchmal auch sehr konkret in der Frage danach, wieviel ehrenamtliches Engagement (und das unter welchen Bedingungen) sich eine Person „leisten“ kann.
- Es ist gut, dass der Supervisor „der Fremde“ ist und bleibt, nicht in die Hierarchie der Organisation eingebunden ist und nicht selbst (ehrenamtlich) in dieser Organisation arbeitet
Supervision ist zum Einen die methodisch strukturierte Reflexion der eigenen Praxis – mit dem Blick auf die eigenen handlungsleitenden Werte und Visionen- und zum Anderen die nachhaltige und in die Zukunft weisende Arbeit an der Stärkung der eigenen Motivation und der eigenArtigen Qualität des ehrenamtlichen Engagements.
Supervision für Ehrenamtliche ist mehr als die Möglichkeit zur Fallbesprechung und auch anders als Kollegiale Beratung. Sie hat ihren Ansatzpunkt nicht in Problemkonstruktionen („Schwierigkeiten“, „Unzulänglichkeiten“, „Feuer auf dem Dach“) sondern in den Werten, der Motivation und den Fähigkeiten der Beteiligten. Supervision orientiert sich an den Möglichkeiten und Ressourcen.
Um dieses Verständnis zu schützen, darf Supervision nicht in Problemlagen „verordnet“ werden, sondern ist selbst-verständliches Angebot an alle Ehrenamtliche, die Supervision machen, weil es eben dazu gehört. Und ja: Es ist wohl eine freiwillige Teilnahme, aber eine von der Organisation geforderte.