Ich schmeiß alles hin und werd Prinzessin
Echt keine Lust mehr auf den ganzen Scheiß, alles hinschmeißen und – ja, warum eigentlich nicht: Prinzessin werden. Das wär’s doch!
Die Postkarte mit dem Spruch klebte vor einigen Jahren fett an meinem Whiteboard!
Es gab in meinem Berufsleben nicht nur einmal Konstellationen, in denen ich genau das dachte: Ich schmeiß alles hin! Die Bedingungen, unter denen ich arbeite sind so übel – das hat doch keinen Wert mehr! Das was ich tun soll, kann ich nicht – und das was ich kann, soll ich nicht tun. Die Möglichkeit zur berufliche Weiterentwicklung? Fehlanzeige! Anerkennung durch die Vorgesetzten? Soll’s geben… Kompetente Kolleg/innen, die mich unterstützen und mir den Rücken stärken? Schön wär’s! Wirklich reizvolle Aufgaben? Die gibt es nur für die Anderen!
Da wäre Prinzessin werden eine echte Alternative: So eine Prinzessin muss keine Verantwortung übernehmen. Die darf jammern und maulen – und jeder steht bereit, nur um ihr zu helfen! Sie darf ausprobieren und machen, was ihr gerade in den Sinn kommt und womit sie jede Menge Spaß hat! Wenn was schief läuft, tröstet ihr Hofstaat sie und bügelt alle Fehler für sie aus. Und irgendwann wird sie Königin, von ganz alleine! Das ist doch traumhaft!
Aber: Eine Prinzessin ist noch lange keine Königin! Und genau das war für mich das Problem: Ich übernehme sehr gern die Verantwortung für das, was ich tue. Ich bin stolz auf meine „königliche Würde“- und auf das, wer ich bin und was ich tue. So richtig gut eigne ich mich also nicht zur Prinzessin. Außerdem sind die Ausbildungsplätze für Prinzessinnen rar – und die Studienplätze für die P.A. sind mit extrem hohen Kosten verbunden.
Ich bin in den schwierigen beruflichen Konstellationen einen anderen Weg gegangen: Ich habe mich darauf besonnen, dass ich eine Königin bin: Ich kann mein Leben gestalten, wie es richtig ist für mich! Ich kann Entscheidungen treffen! Und vielleicht das Wesentlichste, was ich dabei gelernt habe: Ich muss sagen was ich will! Und: Ich muss das Tun, was ich für richtig halte – und nicht auf die Erlaubnis warten, die mir bestätigt, dass das wirklich richtig ist! Ich brauch mich nicht mit anderen zu vergleichen, wenn ich das tue, was ich wirklich! will. Das stimmt dann einfach so, wie es ist. Und wenn sich daraus Konsequenzen ergeben, mit denen ich nicht zufrieden bin – war es dennoch richtig und ich kann in Zukunft andere Entscheidungen treffen, mich anders verhalten. Oder auch nicht.
Ein kluger Kollege hat mir in so einer „Ich schmeiß alles hin und werd Prinzessin“-Phase mal ein Experiment vorgeschlagen:
Ich war zu dieser Zeit extrem sauer auf meinen Chef und zutiefst enttäuscht von den allermeisten meiner Kollegen, war kraftlos, lustlos und so richtig, richtig angenervt von allem, was mit Arbeit zu tun hatte, motzig und der festen Überzeugung, dass ich für diese Leute nichts, aber auch gar nichts mehr tun wollte. Jedenfalls nichts Gutes.
Jedenfalls meinte dieser kluge Mensch, ich solle „denen“ doch das schenken, was für mich so wichtig ist und was ich „dort“ eben nicht vorfände: Meine Warmherzigkeit und Geradlinigkeit, meine Lebendigkeit und Begeisterung – in der unaufregten Klarheit, die für mich eigentlich so typisch ist. Also genau das leben, was mir wichtig ist – auch wenn „alle anderen“ das in meiner Wahrnehmung nicht täten. In vollkommen unsicherer Großzügigkeit und so ganz ohne Ahnung, was dann passieren werde.
Ich hab mir das gut überlegt, ob ich dieses Experiment wagen sollte.
Da stritt sich die motzige Prinzessin aber sowas von mit der Königin in mir.
Die Königin hat gewonnen – und ich die grandiose Erfahrung, dass es geht, auch grauenvolle Situationen zu gestalten: Rückzug – „Prinzessin werden“ – ist eine Möglichkeit. Mich auf das Meine zu besinnen und das zu tun, trotz aller widrigen Umstände – ist die andere. Die Bessere!
Das Erstaunliche: Umso häufiger ich das ausprobiert habe, umso selbstverständlicher gesellte sich der Mut zu der Angst, die mir das erstmal machte. Ich habe dadurch eine Freiheit im Handeln und Denken gewonnen, die vieles möglich macht – und mich extrem einverstanden sein lässt, mit dem was ist. Und irgendwie habe ich dadurch ein bisschen die Angst verlernt.
Vielleicht sind Sie ja jetzt auch in Experimentierlaune – verlernen Sie die Angst!