Probleme ansprechen braucht
Mut, auch Wagemut oder Beherztheit, bedeutet, dass man sich traut und fähig ist, etwas zu wagen, das heißt, sich in eine gefahrenhaltige, mit Unsicherheiten verbundene Situation zu begeben
Wahring, Deutsches Wörterbuch
Wer mit Menschen arbeitet – als Pädagog/in, Pfleger/in, Berater/in – kommt irgendwann mal an den Punkt, an dem er merkt, dass es fatal wäre, zu allem was da so passiert, ‚Ja und Amen‘ zu sagen oder zu schweigen. Dass es falsch verstandene „Wertschätzung“ wäre, nicht laut und deutlich „So nicht!“ zu rufen. Der Punkt, an dem das ganze „der Andere weiß selbst am Besten, was für ihn gut ist“-Gebäude, also eine nur oberflächlich verstandene Ressourcenorientierung, fragwürdig wird. Wo das „Einhalten des Dienstwegs“ fatal wäre.
Probleme ansprechen ist für die wenigsten Menschen in sozialen Berufen die große Leidenschaft. Probleme anzusprechen fällt vielen schwer.
Das sind Situationen, in denen man „sein Herz in die Hand nehmen“ und „seinen Hut in den Ring“ werfen muss – und die Probleme ansprechen muss. Muss? Ja! Muss! Denn ein nicht zum Ausdruck gebrachtes „Nein!“ würde etwas kaputt machen: in der Einrichtung, bei den Klienten – bei mir selbst. Zumindest würde es die Erfüllung des eigentlichen Auftrags sabotieren, so dass es die Pflicht eines verantwortungsbewussten Mitarbeiters ist, sich einzumischen und dabei vielleicht auch „die eigene Kompetenz“ zu überschreiten.
Davor haben viele Menschen, die mit Menschen arbeiten Angst: „Das kann ich doch nicht sagen“, „Was passiert denn dann, wenn ich das mache? Bestimmt etwas ganz Schreckliches!“, „Die anderen sagen doch auch nichts, warum sollte ich denn? Dann steh ich da wie der Depp, helfen wird mir dann bestimmt keiner!“
Ganz unberechtigt ist diese Sorge nicht. Das kann schon sein, dass man auf Widerstand stößt, wenn man unbequeme Dinge anspricht, wenn man eine Situation kritisiert. Es kann auch sein, dass das Arbeitsklima schon so belastet ist, dass sich keine Solidarität auf die Bühne traut. Das kann sein. Wer weiß schon, was das auslösen wird – die Zukunft ist immer unsicher.
Aber es kann eben auch ganz anders sein: Es kann sein, dass alle Beteiligten aufatmen, weil ein Tabu endlich auf den Tisch kommt und alle merken, dass es gar nicht so tödlich ist, sich damit zu beschäftigen, wie zuvor vermutet. Es kann sein, dass derjenige, der das Problem anspricht in der Achtung der Anderen steigt und für seinen Mut und seine Professionalität bewundert wird.
Manchmal braucht es einen einzigen Mutigen, der sich traut zu handeln. Der anspricht, was er wahrnimmt und fühlt, was er denkt und für fachlich geboten sieht. Der nicht anklagt und besser weiß, der es aber wagt etwas zu machen, was die anderen nicht machen. Einer, der sich beherzt und wagemutig in die Unsicherheit des Unbekannten wagt.
Und dann kann Veränderung geschehen.
Wie geht Probleme ansprechen?
Ich hoffe Sie erwarten jetzt keine „10 einfache Schritte, um Probleme anzusprechen“. Die gibt es nicht. Jedenfalls nicht so, dass Sie sie nicht schon kennen würden oder nicht schon gegoogelt hätten. Ich kenne da nur einen einzigen wirklich richtigen Weg: Mach’s einfach!
Das heißt ganz simpel: Warte nicht bis sich der richtige Zeitpunkt ergibt – schaffe ihn. Am Besten schon heute, oder halt morgen. In aller Gelassenheit und Achtsamkeit. Hör auf mit grübeln und googeln. Mach’s! [Wenn Sie mögen, können Sie natürlich auch Ihren Inneren Mut-Experten auf die Bühne bitten – aber der wird eh da sein, wenn Sie ihn brauchen!]
Und es heißt eben auch: Mach’s einfach, nicht kompliziert. Bereite keine Reden, Erklärungen, verständnissignalisierende Phrasen vor: Sprech‘ aus, was Du wahrnimmst, was Du siehst, was Du hörst, was Du riechst, was Du schmeckst, was Du spürst. Erzähl davon, welche Sorgen Du Dir deshalb machst und bitte die Anderen um ihre Unterstützung. So einfach!